From The Heart Of Darkness

Simone Schardt & Wolf Schmelter

Les Complices*, Zürich

2007



Rückblick nach fast fünf Monaten:

Der Abend im Les Complices am 17. November 2007 war speziell  – eine Art Aufbruch,  auf den vielleicht nie ein nächster Schritt folgt.


Eingeladen hatten ein paar Leute aus dem Kunstkontext mit dem Ziel, über Auftrittsweisen und Möglichkeiten politischen Engagements zu sprechen. Ausgangspunkt war ein knappes einführendes Gespräch, auf das – entlang von kurzen  Filmschnitten - eine Art Vortrag über die Praxis von Schweizer versus amerikanischer Politik folgte. Anschliessend wurde ein Film von Alexander Kluge gezeigt, zwischendurch Salat und Suppe gereicht. Die kleine Bar sorgte für Getränke. Von 17 Uhr bis spät in die Nacht, also recht lange, dauerte das Ganze. Man konnte jederzeit gehen, es kamen immer wieder neue Leute rein, aber ein kleiner Kernkreis blieb von Anfang bis Ende zusammen. Insgesamt waren es vielleicht 16 oder 20 Leute, die im kleinen Raum vom Les Complices auf unprätentiösen Bänken oder an der Bar ein Stückchen gemeinsame Lebenszeit verbrachte. Viele waren sich näher oder ferner bekannt, aber auch fremde Gesichter tauchten auf, eine Athmosphäre zwischen Vertrautheit und zugleich Offenheit für neu Dazukommende, eine Art Gemeinschaft mit offenen Rändern entstand.


Was den Abend neben dem inhaltlichen Austausch besonders machte, war die Art und Weise wie kommuniziert wurde. Man tauschte Meinungen, Fragen, Befürchtungen aus und  nie driftete das Ganze in einen „Diskurs“, in eine Art Slang, ein codiertes Sprechen weg. Nie entstand diese Art Abgehobenheit, die das Sprechen mit nichts mehr, als dem einschüchternden Code einer speziellen Disziplin verbindet. Drohte der Austausch zu eng, zu schnell, zu fokussiert zu werden, griffen die Organisierenden ein, indem sie rückfragten und sich bemühten, den Tunnel wieder zu öffnen, wieder einen gemeinsamen, weiten, entspannten Boden herzustellen, von dem aus sich alle beteiligen konnten. Dabei ging es weniger darum, dezidierte Voten abzuschmettern, als schnelle Kanalisierungen und Denkrichtungen zu verhindern, damit sich das Reflektionsfeld nicht zu schnell zu sehr begrenzt. Von einer Ebene der Einfachheit, der Direktheit, der Akzeptanz auch subjektiver Befindlichkeiten – fast möchte ich sagen, der Sanftheit - aus konnten alle von ihrer Warte aus sprechen – ohne dass der Abend zum Kaffeekränzchen mutierte, dazu war man sich nicht genügend bekannt.


Gerahmt war das Ganze vom gemeinsamen Interesse, wie man sich in das Feld des Politischen einbringen kann. Es gab ein Programm, das inhaltliche und zeitliche Wegmarken setzte. Auch handelte es sich nicht um das Zusammenkommen von gänzlich verschiedenen Subjekten, sondern wohl alle waren irgendwie im Kunstkontext involviert. Es gab also einen definierten Grund, auf dem die Begegnung stattfand. Die Leitplanken waren aber  so anstrengungslos, so unhierachisch, so locker gesetzt, dass sie fast verschwanden. Die Vortragenden konnten zu Zuhörenden werden, die Zuhörenden hätten vortragen können. Die Anwesenden, so gaukelt es mir vielleicht die Erinnerung vor, schienen gleichkompetent, gleichstark zu sein.


Was weiterhin beitrug, eine gemeinsame Basis, eine Vertrautheit herzustellen, war, dass man sich im Verlauf verschiedener Tätigkeiten und Rituale begegnete. Mal mussten alle beim Zuhören oder Filmegucken still sitzen, mal konnte man sich an der Bar für ein Bier vordrängeln, mal die Suppe für sich alleine löffeln oder in kleinerem Kreis schwatzen, dann wieder waren alle im intensiven Austausch verbunden.


Sind andere Veranstaltungen häufig wie eine genau umrahmte, durch Anfang und Ende definierte Strecke, war diese wie ein Fluss, der (noch) keine Richtung hat. Es war wie der Anfang einer irgendwie vielleicht vorhandenen Gemeinsamkeit, die zu weiteren Schritten, Gesprächen, Handlungen führen könnte. Gerade die fast streng immer wieder herbeigeführte Offen- und Ungerichtetheit könnte das Potential einer weiterführenden Konzentration sein.


Brita Polzer, April 2008